Ohne Ehrenamt kein ausreichender Bevölkerungsschutz
Dr. Ralph Matzky, Präsident des DRK-Kreisverbandes Cottbus-Spree-Neiße über die Bedeutung des Ehrenamtes für den Katastrophenschutz und die Vielfalt ehrenamtlicher Tätigkeiten im DRK
Dr. Ralph Matzky ist nicht nur Präsident des DRK-Kreisverbandes Cottbus-Spree-Neiße-West e.V. Er bildet auch Bürger:innen in der Ersten Hilfe aus und sichert als Rettungssanitäter in der DRK-Bereitschaft Sanitätsdienst Sport- und Freizeitveranstaltungen ab. In der Corona-Pandemie leitete er stellvertretend das überregionale Impfzentrum in der Messe Cottbus und betreute als Leiter das Willkommenscenter für Geflüchtete aus der Ukraine am Spreewaldbahnhof. Im vergangenen Jahr wurde er zum stellvertretenden Landesbereitschaftsleiter des Landes Brandenburg gewählt.
Das klingt nach einer sehr umfangreichen Tätigkeit. Arbeitest du hauptamtlich für das DRK?
Nein, das mache ich fast alles im Ehrenamt und sogar noch etwas mehr. 70 bis 80 Stunden sind es im Monat. Hauptberuflich bin ich Richter am Sozialgericht und arbeite dort nach wie vor in Vollzeit. Die Tätigkeiten im Impfzentrum bzw. im Willkommenscenter erfolgten allerdings mit Einsatzauftrag und Freistellung vom Beruf.
Noch mehr?
Ja, ich bin zum Beispiel Gruppen- bzw. Zugführer, das heißt bei Einsätzen leite ich größere Einheiten. Unsere Bereitschaft Sanitätsdienst ist als Schnelleinsatzgruppe auch Teil des Katastrophenschutzes der Stadt Cottbus. Seit 2021 bilde ich angehende Sanitäter:innen aus und 2022 habe ich die Fachdienstausbildung zum Betreuungsdienst absolviert.
Ist es eine Voraussetzung für das Ehrenamt, dass man sich so vielfältig engagiert?
Nein, definitiv nicht! Ich lese und lerne einfach gern und suche mir immer wieder neue Herausforderungen. Das DRK bietet mir da viele spannende Möglichkeiten. So bin ich u.a. zum Unterrichten gekommen: Ich gebe Erste Hilfe-Kurse, auch den weiterführenden Kurs in der Ersten Hilfe am Kind. Unser Sanitätsdienst trifft sich jede Woche zur Fortbildung. Die besuche ich natürlich, gebe dort aber auch Lehreinheiten. Ein „Lieblingsfach“ ist zum Beispiel die Knotenkunde. Sehr praktisch, nicht nur für DRK-Zwecke!
Andererseits muss man leider auch feststellen, dass wir – wie fast alle Organisationen in diesem Bereich -, sehr mit einem Mangel an ehrenamtlichen Kräften zu kämpfen haben. So werden viele mögliche Tätigkeiten von einigen wenigen geleistet.
Warum denkst du, ist das so?
Ein Grund könnte sein, dass die meisten bei uns nur den Sanitätsdienst als Ehrenamtsoption wahrnehmen. Das ist verständlicherweise aber nicht für jeden etwas. Wir wollen daher in Zukunft deutlich machen, dass es bei uns viele weitere Aufgaben gibt und wir uns über jeden freuen, der etwas beisteuern kann.
Welche ehrenamtlichen Bereiche bietet der Kreisverband neben dem Sanitätsdienst?
Es besteht ein großer Bedarf an Menschen, die andere betreuen und unterhalten können, sei es in einem Pflegeheim oder während einer Evakuierungsaktion. Wir suchen Leute, die sich zutrauen in größerem Maßstab zu kochen. Genauso sind PC-Fachkenntnisse willkommen oder jemand, der Spaß an administrativen Aufgaben hat. Ich denke da immer wieder an das überregionale Impfzentrum oder das Willkommenscenter für die Geflüchteten aus der Ukraine. Auf dem Spreewaldbahnhof mussten wir in kürzester Zeit Sanitäreinrichtungen, Unterkünfte und Verpflegung organisieren, die nötige EDV einrichten und Kommunikationsstrukturen aufbauen, ganz zu schweigen von der Betreuung der ankommenden Menschen. Dort waren also vielfältigste Fähigkeiten gefragt. Zukünftig wollen wir daher neben unserem Sanitätsdienst zusätzliche Betreuungs- und Versorgungsdienste aufbauen. Wenn sich ausreichend Interessierte finden, wäre auch eine Rettungshundestaffel oder Wasserwacht möglich. Es geht letztlich darum, eine Gemeinschaft zu bilden und Zeit mit Menschen zu verbringen, die ähnliche Interessen haben.
Was motiviert dich?
Ich fühle mich dem Grundgedanken des DRK sehr verbunden und freue mich, wenn wir ihn Realität werden lassen: Menschen in Not zu helfen, ihnen Hoffnung und Zuversicht zu geben und dabei keine Unterschiede zu machen. Das Gefühl geholfen zu haben, aber auch helfen zu können, verschafft mir eine innere Zufriedenheit und ich komme am Abend ausgeglichener nach Hause als oft von der Arbeit.
Was möchtest du noch erreichen?
Als Präsident möchte ich unser Jugendrotkreuz weiter stärken. Die Kids sollen auch übergreifende Themen gemeinsam erarbeiten, ergänzt durch Besuche bei Gericht oder der Polizei, z. B. im Zusammenhang mit dem Thema Drogen. Wir wollen wieder mehr gemeinsame Ausflüge machen, auch mal gemeinsam backen oder kochen, also einfach Gemeinschaft leben.
Sehr am Herzen liegt mir außerdem die Katastrophenschutzvorsorge. Der Bevölkerungsschutz ist eine der Kernaufgaben des DRKs. Als Teil des regionalen Katastrophenschutzes wollen wir stärker mit der Stadt und der Johanniter-Unfallhilfe zusammenarbeiten, um im Ernstfall unsere Ressourcen schnell und effektiv verbinden zu können. Im Impfzentrum und auf dem Spreewaldbahnhof hat das schon gut funktioniert. Nun sollten wir das vertiefen, damit eine langfristig vertrauensvolle Zusammenarbeit entstehen kann. Vorsorgend sollten wir aber auch die Bürger:innen schon frühzeitig auf einen Katastrophenfall vorbereiten, ihre Eigenverantwortung und den Zusammenhalt untereinander stärken. Das soll ihnen im Ernstfall ein Gefühl der Sicherheit geben und die überwiegend ehrenamtlichen Einsatzkräfte entlasten. Ich stelle mir da z. B. Kurse an Schulen vor.
Du sagst, im Katastrophenfall kommen viele Einsatzkräfte aus dem Ehrenamt. Wie wirkt sich da der Mangel aus?
Die Nachwuchsfrage spielt hier natürlich eine ganz zentrale Rolle. Ich denke, vielen Menschen ist gar nicht bewusst, dass die Einsatzkräfte, die bei größeren Schadensereignissen den Betroffenen zur Seite stehen, Ehrenamtliche sind. Sie bereiten sich in ihrer Freizeit darauf vor, im Notfall für andere da zu sein, sei es als Sanitäter oder Notfallseelsorger, als Ansprechpartner oder mit der Ausgabe heißer Getränke. Solche Menschen müssen nicht nur vorhanden sein und geschult werden. Wir brauchen langfristig auch die Personen, die Führung und Koordination übernehmen. Sie müssen frühzeitig in eine solche Aufgabe reinwachsen können, sonst bricht das Ehrenamt weg und damit ein nicht unerheblicher Teil des Katastrophenschutzes.
Vielen Dank für deine Zeit und dein außerordentliches Engagement!